Es
war alles so einfach – mehr oder weniger.
Klar, das deutsche Urlaubsgesetz gefiel dem
EuGH schon öfter nicht. Nunmehr aber stellt er das Urlaubsrecht auf den Kopf.
von Martin Rößler, Fachanwalt für
Arbeitsrecht
Der Arbeitnehmer verlangt seinen Urlaub
nicht. Und nun?
Halb
so schlimm. Das BAG vertrat die Auffassung, der Arbeitgeber könne nicht
verpflichtet werden, dem Arbeitnehmer Urlaub aufzuzwingen, um den Verlust
regelmäßig am Ende eines Jahres zu verhindern.
Anspruch
des Arbeitnehmers auf Schadensersatz in Form eines Ersatzurlaubes bestehe nur
dann, wenn sich der Arbeitgeber mit der
Urlaubsgewährung in Verzug befunden hat, weil er den rechtzeitig verlangten
Urlaub nicht gewährt habe (BAG, Urteil vom 06.08.2013 – 9 AZR 956/11).
Nach
der Rechtsprechung des EuGH ist aber der Anspruch auf den Jahresurlaub ein
bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft, von dem nicht
abgewichen werden darf (so z.B. EuGH, Urteil vom 20.01.2009 – C-350/06 und
C-520/06 –Schultz-Hoff und Stringer u.a.). Einige
Gerichte meinten deshalb, der Arbeitgeber sei daher verpflichtet, den Anspruch
auf den gesetzlichen Jahresurlaub auch ohne Urlaubsantrag zu erfüllen.
Richtig, so der EuGH!
Auch wer keinen Urlausantrag gestellt hatte, verliert nunmehr nicht
zwangsläufig den Anspruch auf Vergütung der Resturlaubstage, so der EuGH. Der Geldanspruch geht aber unter, wenn der
Arbeitgeber den Mitarbeiter umfassend über die Sachlage informiert hat. Die
Beweislast für die Aufklärung trägt der Arbeitgeber.
Der
EuGH stellte klar, dass das Recht auf Jahresurlaub für alle Beschäftigten in
der Charta der Grundrechte der EU verankert ist. Dieses Recht gehe zwangsläufig
mit der Pflicht des Arbeitgebers einher, diesen Urlaub auch zu gewähren – oder
eben eine Vergütung zu zahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis endet.
Den
Anspruch auf Urlaub oder finanzielle Vergütung können die Beschäftigten auch
nicht so einfach verlieren. Allein, dass
kein Urlaubsantrag gestellt wurde, sei jedenfalls nicht entscheidend, urteilte
der EuGH. Nur wenn die Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wurden,
ihre Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen, könne ein Anspruch auf
Geldentschädigung ausgeschlossen sein. Darüber muss der Arbeitgeber allerdings
aufklären – und dass er das getan hat, muss er beweisen.
Der
EuGH begründet dies mit der schwächeren Position des Beschäftigten: Der könne
abgeschreckt sein, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich
geltend zu machen. Rechte einzufordern, könne negative Folgen für ihn haben.
Für den Arbeitgeber hingegen sei der Nachweis, dass der Arbeitnehmer freiwillig
und in voller Kenntnis der Sachlage auf den Urlaub verzichtet hat, kein
Problem.
Arbeitgeber sind gut beraten, zügig
sicherzustellen, dass Arbeitnehmer im Jahresverlauf – bestenfalls förmlich –
aufgefordert werden, ihren Urlaub zu nehmen. Solche Aufforderungen sollten den
Hinweis enthalten, dass der Urlaubsanspruch anderenfalls am Ende des Bezugs-
bzw. Übertragungszeitraums verfallen wird.