Den Begriff der Schwerbehinderung ist nahezu jedem ein Begriff. Dass es speziell für schwerbehinderte Arbeitnehmer aber auch eine Schwerbehindertenvertretung gibt, weiß dagegen selbst so mancher Arbeitgeber nicht.
Was verbrigt
sich also hinter dieser Schwerbehindertenvertretung?
Die Schwerbehindertenvertretung ist die selbstständige
betriebsverfassungsrechtliche Vertretung der im Betrieb
beschäftigten schwerbehinderten Rehabilitanden.
Die Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung
liegt darin, die Eingliederung der Schwerbehinderten in den Betrieb zu fördern,
ihre Interessen im Betrieb zu vertreten und ihnen beratend und helfend zur
Seite zu stehen, vgl. § 178 Abs. 1 SGB IX.
Die Schwerbehindertenvertretung
wird in Betrieben mit mindestens fünf nicht nur kurzzeitig beschäftigten
Schwerbehinderten gewählt und besteht aus einer Vertrauensperson und mindestens
einem Stellvertreter, § 177 Abs. 1 SGB IX. Die
persönliche Rechtsstellung
der Schwerbehindertenvertretung ist der von
Betriebsratsmitgliedern vergleichbar, insbesondere gilt nach §
179 Abs. 3 SGB IX der besondere Kündigungsschutz gemäß §
15 KSchG und § 103 BetrVG. Die Schwerbehindertenvertretung ist aber kein
Organ des Betriebsrats.
Die
Schwerbehindertenvertretung besteht in der Regel aus nur zwei Personen. Aus
diesem Grund führt die Schwerbehindertenvertretung in den Köpfen der
Arbeitgeber auch oftmals nur ein Schattendasein.
Nichtsdestotrotz
kommt der Schwerbehindertenvertretung eine herausragende Bedeutung zu.
Das
Arbeitsgericht Hagen hat mit seinem Urteil vom 06.03.2018 – 5 Ca 1902/17 die
bahnbrechende Bedeutung der Schwerbehindertenvertretung herausgearbeitet.
Ganz
vereinfacht lag dem Urteil folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der
Arbeitgeber kündigte aus betriebsbedingten Umstrukturierungsmaßnahmen im
Unternehmen das Arbeitsverhältnis mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer im
Rahmen einer Änderungskündigung. Dem Arbeitnehmer wurde also das „alte“
Arbeitsverhältnis gekündigt und zugleich ein neues Arbeitsverhältnis zu
geänderten Bedingungen angeboten. Gegen dieses Angebot erhob der Arbeitnehmer
Kündigungsschutzklage mit dem Ziel der Feststellung, dass das neue Angebot
sozial ungerechtfertigt ist.
Der
Arbeitgeber ging folgendermaßen vor:
1.
Zuerst reichte er den Zustimmungsantrag
bei dem zuständigen Inklusionsamt ein.
2.
Zwei Tage später hörte er den
Betriebsrat an.
3.
Ebenfalls zwei Tage später hörte
er die Schwerbehindertenvertretung an.
Allein diese
Feststellungen genügten der Kammer, um die Kündigung als sozial
ungerechtfertigt zurückzuweisen und das ohne die Sozialwidrigkeit auch nur
ansatzweise zu prüfen!
Allein
entscheidend war, dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung zu spät
angehört hat.
Nach der
Ansicht der Kammer hätte der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung
bereits vor der Stellung des Zustimmungsantrags beim Integrationsamt
unterrichten und anhören müssen und damit erst recht vor der Anhörung des
Betriebsrats.
Dabei stützt
sich das Arbeitsgericht auf § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der bis zum 31.12.2017
geltenden Fassung beziehungsweise § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX in der Fassung ab
dem 01.01.2018:
1Der
Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die
einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu
unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören;
er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. 2Die
Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen
Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen
nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. 3Die
Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1
ausspricht, ist unwirksam.
Bevor sich
der Arbeitgeber abschließend seine Meinung über die Kündigung eines
schwerbehinderten Arbeitnehmers gebildet hat und die weiteren Voraussetzungen
für die Wirksamkeit einer Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers
schafft, muss er zuvor die Schwerbehindertenvertretung zu der beabsichtigten
Kündigung anhören.
Die Gedanken
der Schwerbehindertenvertretung muss der Arbeitgeber verinnerlichen und sie in
seine Meinungsbildung – nachvollziehbar – miteinfließen lassen, das heißt
insbesondere auch das Inklusionsamt und den Betriebsrat hierüber zu
unterrichten.
Es bleibt
abzuwarten, ob auch andere Arbeitsgerichte dieser Entscheidung folgen werden.
Dem Gebot des sichersten Weges zufolge, sollte die Schwerbehindertenvertretung
vor Ausspruch einer Kündigung, das heißt vor Anhörung des Betriebsrats und vor
dem Einreichen des Antrags beim Inklusionsamt, angehört werden.
Zwingend ist
dabei auf die Fristen bei einer außerordentlichen Kündigung zu achten und genau
zu berechnen. Eine außerordentliche Kündigung ist innerhalb von zwei Wochen ab
Kenntnis der kündigungsbegründenden Umstände auszusprechen. Innerhalb dieser
zwei Wochen muss nun die Schwerbehindertenvertretung, der Betriebsrat und das
Inklusionsamt angehört werden.