10 Tipps, wie Sie ein Zeugnis schnell schreiben und verstehen.
Ein Arbeitnehmer hat ein Recht auf ein ordentliches Arbeitszeugnis. Es gibt inzwischen viele Urteile und Regelungen für Arbeitszeugnisse. Da ein Arbeitszeugnis dem Arbeitnehmer nicht schaden darf, ist die Sprache von einer ausgesuchten Höflichkeit und Wohlwollen geprägt - und kann doch ganz schön negativ gemeint sein.
Im Laufe der Zeit haben sich Floskeln etabliert, die versteckte, aber erkennbare Hinweise über den Arbeitnehmer enthalten:
· spezielle Geheimcodes, um Abwertungen zu verschleiern,
· fein abgestufte Bewertungen für Einzelnoten und
· wichtige Kernaussagen.
Dennoch müssen Sie nicht in die gesamte Tiefe der Formulierungen für Zeugnisse eintauchen.
10 erste Tipps helfen Ihnen dabei, ein Zeugnis schnell zu schreiben und zu verstehen.
Tipp 1
WIE LAUTET DER KÜNDIGUNGSGRUND?
Wollen Sie kündigen? Oder wurde dem Arbeitnehmer gekündigt? Hat der Arbeitnehmer gekündigt? Warum wurde dem Arbeitnehmer gekündigt? Vielleicht sogar fristlos? Hier gibt das Arbeitszeugnis Auskunft mit Formulierungen zum Kündigungsgrund im letzten Absatz.
Die Formulierung "Herr Müller verlässt uns auf eigenen Wunsch" entspricht einer Kündigung durch den Arbeitnehmer. Grundsätzlich wird eine eigene Kündigung günstiger gedeutet. Von sich aus hat der Arbeitnehmer die Initiative ergriffen.
"Das Arbeitsverhältnis wurde zum 31.01.2018 einvernehmlich beendet" drückt eine Kündigung im gegenseitigen Einvernehmen aus, in der Regel durch einen Aufhebungsvertrag.
Ein knappes "Das Arbeitsverhältnis endet am 06.01.2018" umschreibt durch das krumme Datum üblicherweise eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber. Diese Formulierung ist in Arbeitszeugnissen kritisch, weil sie Bewerbungschancen deutlich mindert.
Tipp 2
ENTHÄLT DAS ZEUGNIS DANK, BEDAUERN UND WÜNSCHE?
Enthält das Zeugnis nach dem Kündigungsgrund eine Schlussformel? Damit ist gemeint, dass erstens das Bedauern über den Weggang, zweitens ein ausdrücklicher Dank für die bisherigen Leistungen und drittens gute Wünsche für die weitere berufliche Zukunft ausgesprochen werden.
Auch wenn Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung keinen Anspruch auf "Dank und Bedauern" haben, enthalten Endzeugnisse dennoch eine Formulierung wie "Wir bedauern sein Ausscheiden sehr, bedanken uns für die langjährige stets produktive Zusammenarbeit und wünschen Herrn Müller für seine berufliche und private Zukunft alles Gute und weiterhin Erfolg."
Tipp 3
WELCHER NOTENSTUFE ENTSPRICHT DIE GESAMTNOTE?
Gerne wird von Laien behauptet, dass die Gesamtnote "stets zur vollsten Zufriedenheit" falsch sei.
Dies sieht die höchste Instanz für Arbeitszeugnisse allerdings seit vielen Jahren anders. Das Bundesarbeitsgericht hat bestätigt, dass die Formulierung zwar nicht schön, aber in "sehr guten" Arbeitszeugnissen üblich, und daher auch richtig sei.
Auch Ihre Zeugnisnote sollte in der Regel daher zumindest "stets zur vollen Zufriedenheit“ (Note 2) oder "stets zur vollsten Zufriedenheit“ (Note 1) lauten. Es gibt selbstverständlich auch alternative Formulierungen, welche die gleichen Notenstufen ausdrücken.
Tipp 4
WIRD DIE GESAMTNOTE IM SCHLUSSABSATZ WIEDERHOLT?
Wird die Gesamtnote, möglichst "gut" oder "sehr gut", im Schlussabsatz wiederholt? Dann sollten die "stets guten Leistungen“ (Note 2) oder die "stets absolut überzeugenden Leistungen“ (Note 1) am Ende des Zeugnisses noch einmal wiederholt werden.
Ungünstig wäre hier "wir danken ihm für seine Leistungen für unser Unternehmen". Denn ohne "stets" und "gut" entspricht der Dank nur einem "ausreichend", also der Note 4.
Tipp 5
WERDEN ERFOLGE BETONT?
In modernen Arbeitszeugnissen werden nicht bloß Tätigkeiten und Verantwortungsbereiche aufgezählt. Es werden auch Erfolge genannt:
· die Schulung von Kollegen,
· Optimierungen von Arbeitsabläufen,
· Kosteneinsparungen oder
· erfolgreiche Projekte.
Sprachlich eingeleitet werden besondere berufliche Erfolge mit Formulierungen wie "Besonders zu erwähnen ist, dass […]", "Hervorzuheben ist […]" oder "Besonders erwähnen möchten wir an dieser Stelle, dass […]".
Tipp 6
WIE WERDEN AUFGABEN UND TÄTIGKEITEN BESCHRIEBEN?
Überprüfen Sie ebenfalls, ob der Tätigkeitsblock im Arbeitszeugnis verdeutlicht, wie vielfältig das Aufgabengebiet, die Tätigkeiten und gegebenenfalls auch die Verantwortungsbereiche waren.
Knappe Aufzählungen im Stil von "Das Aufgabengebiet von Frau Müller umfasste den Verkauf" sind nicht aussagekräftig genug.
Besser wäre eine ausführliche Darstellung, beispielsweise so: "Das verantwortungsvolle Aufgabengebiet von Frau Müller umfasste den Verkauf von Büromaterial einschließlich Lotto-Produkten, insbesondere […]".
Tipp 7
WIE SIND DIE ARBEITEN ERLEDIGT WORDEN?
Dem Herangehen an Aufgaben kommt eine wichtige Rolle zu. Aufgaben ändern sich und damit werden ständig neue Herausforderungen an die Mitarbeiter gestellt.
In Arbeitszeugnissen überzeugen die Beschreibungen zur Arbeitsweise dann, wenn Begriffe wie "planvoll", "strukturiert", "methodisch" oder "systematisch" eingesetzt werden; auch hier natürlich in Kombination mit Wörtern wie "stets", "immer" oder "jederzeit", beispielsweise "Frau Müller arbeitete stets strukturiert, ergebnisorientiert und zügig“ (Note 2).
Tipp 8
ENTHÄLT DAS ZEUGNIS GEHEIMCODES?
Mit Geheimcodes meinen wir verschlüsselte Abwertungen. Hierzu zählen "Nicht"-Formulierungen, Relativierungen oder Widersprüche.
Nicht-Formulierungen: Heißt es im Zeugnis "Die Motivation von Herrn Müller ist nicht zu kritisieren", handelt es sich um eine typische "Nicht"-Formulierung. Gemeint ist in Wirklichkeit, dass die Motivation von Herrn Müller zu kritisieren ist! Ähnlich ist die Beschreibung "untadelige Persönlichkeit" zu werten. Auch hier wird zwischen den Zeilen ausgedrückt, dass die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zur Beanstandung Anlass gab.
Relativierungen: Zu den Relativierungen in Arbeitszeugnissen gehören Einschränkungen wie "im Großen und Ganzen" oder "im Wesentlichen". Die Aussage "Sie war im Wesentlichen motiviert" meint also tatsächlich "Sie war manchmal motiviert, was aber selten vorkam", was einem "mangelhaft", also der Note 5 entspricht.
Widersprüche: Wird im Aufgabenblock auf wichtige Projekte hingewiesen, im Bewertungsblock aber nichts weiter zum Gelingen der Projekte ausgeführt, handelt es sich um einen Widerspruch im Zeugnis. Gleiches gilt für die Gesamtnote, wie unter Tipp 4 ausgeführt.
Tipp 9
FÜHRUNGSVERHALTEN?
Bei Mitarbeitern, die Führungsverantwortung hatten, sollten die Ausführungen zum Führungsstil und zu den Führungserfolgen besonders aufmerksam gelesen und geschrieben werden.
Gerade wenn Umstrukturierungen bewältigt, neue Abteilungen aufgebaut oder neue Geschäftsfelder erschlossen wurden, sollten diese Führungsleistungen im Arbeitszeugnis auch nachgezeichnet werden.
Praxistipp: Gesamtnote und Führungsnote sollten der gleichen Notenstufe entsprechen. Häufig liest man im Zeugnis regelmäßig "sehr gute" Gesamtnoten in einer Kombination mit "lediglich guten" Bewertungen für die Führungsleistungen. Dieser Widerspruch (Geheimcode) geht dann zu Lasten der Führungskraft - und kann durchaus negativ interpretiert werden: "Als Fachkraft ist er/sie sehr gut, als Führungskraft aber eine ganze Note schwächer."
Tipp 10
IST DIE EINLEITUNG AKTIV FORMULIERT?
Passive Einleitungen in Arbeitszeugnissen sind schlecht, weil der Leser dann von Anfang an jedenfalls kritisch oder sogar negativ eingestimmt wird.
Zu vermeiden ist daher eine Formulierung wie "Herr Müller wurde von uns vom 01.01.2013 bis zum 31.01.2018 beschäftigt“. Besser sind aktive Einleitungen, also "Herr Müller war bei uns vom 01.01.2013 bis zum 31.01.2018 als Verkäufer in der Filiale tätig."
RÖSSLER Rechtsanwälte